SPÖ, ÖVP und FPÖ räumen Sicherheitspolitik ein übermäßiges Gewicht ein und setzen damit viel aufs Spiel, wie Thomas Roithner betont.
Wer sich vornehmlich in bunten Gratis-Zeitungen zum sicherheitspolitischen Zustand der Republik auf dem Laufenden hält, mag schnell aus dem Rahmen kippen. Vieles wird zur Sicherheitsfrage. Wozu über ein Regierungsprogramm streiten? Wir haben doch eine Sicherheitsdoktrin und den Rest erledigt – wenn alle Stricke reißen – das Sicherheitskabinett.
Sparstift war gestern. Heute bewacht das Heer diplomatische Vertretungen, transportiert Häftlinge, sucht Kriminelle im Netz, schiebt mit seinen Fliegern Flüchtlinge ab, steht an der Grenze, ist der Jolly-Joker gegen Schlepper und Notstände aller Art. Dafür gibt es neue Strukturen, neue Waffen, mehr Geld und mehr Geheimdienst. Und sogar Jobs.
Bei der Geschwindigkeit, mit der die Formel „Militär ist Polizei ist Militär“ durchkalkuliert wird, sind politische Rechenfehler fast ein Naturgesetz. Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache verfolgen hierbei nicht selten dieselbe politische Stoßrichtung und winken gravierende Sicherheitsbelange mir nichts, dir nichts durch. Die gesellschaftliche Debatte entfällt. Am Ende steht ein sicherheitspolitisches Wünsch-Dir-Was.
Thomas Roithner ist Friedensforscher und —-Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.
Schmied und Schmiedl. In Sachen Sicherheit sind vor allem SPÖ, ÖVP und FPÖ im Wettbewerb. Meinetwegen auch das Team Stronach. Die FPÖ muss „ihr“ Thema nunmehr teilen. Hans Peter Doskozil konferiert mit dem Militärpakt NATO in der Migrationscausa. Kurz will nach der Balkanroute auch das Mittelmeer schließen. Doskozil, Kurz und Wolfgang Sobotka fischen seit Monaten in den Untiefen der FPÖ. In ganz Europa werden die Forderungen der vielen Straches mit unterschiedlicher Reichweite umgesetzt. Und Team-Stro–nachs Robert Lugar verteilt Pfefferspray.
Versicherheitlichung. Die Wissenschaft hat hierfür einen Begriff. Versicherheitlichung bedeutet, den klassischen Instrumenten der Sicherheitspolitik – Rüstung, Streitkräfte, Gewaltmittel – übermäßiges Gewicht einzuräumen und damit andere Ansätze aus dem Diskurs herauszudrängen oder zu vereinnahmen. Ganz in diesem Sinne definiert die österreichische Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2013 die Herausforderungen und Bedrohungen für Österreich und die EU: Cyber Attacken, Wirtschaftskriminalität, nicht gelingende Integration, Ressourcenknappheit, Klimawandel, Bedrohung der Verkehrswege oder die sicherheitspolitischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Ein gerüttelt Maß ziviler Probleme wird versicherheitlicht.
Ursachenforschung. Sicherheit hängt nicht zuletzt mit dem Gefühl der Bedrohung zusammen. Der umfassende Friedensbegriff denkt weiter und hat einen breiten Werkzeugkasten. Die Frage nach Gewaltursachen und Gewaltstrukturen – also das Bohren dicker Bretter – muss wieder ins Zentrum rücken, bevor die zivilisatorischen Sicherungen durchbrennen. Auch das EU-Parlament hat bemerkt, dass wegen der militärischen Dimension die Fortschritte im Bereich der Konfliktverhütung „viel zu langsam erreicht werden“. Gut täte es einem neutralen Staat, einen Vorstoß für eine umfassende zivile Präventionsagenda zu entwickeln. Die UNO samt Gewaltverbot und die OSZE sind dabei Eckpfeiler einer kooperativen Friedensordnung. Gemeinsam mit Unterstützung durch die Forschung, Begleitung und Umsetzung auf Augenhöhe mit der Zivilgesellschaft und kritische Beobachtung durch Medien. Als Beitrag gegen neue Mauern und Zäune. Waffen haben die EU-Staaten bereits genug exportiert.
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